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Aschenputtel de Luxe

Schuhmacher, die heute noch richtig edle, elegante, perfekt sitzende, angenehme Massschuhe aus feinsten Materialien anfertigen, stellen praktisch immer nur Herrenschuhe her.

Ich finde das seltsam. Immerhin investieren Frauen nachweislich ungeheuer viel Energie, Geld, Herzblut und vor allem Lebenszeit, (sowohl eigene, als auch die von anderen), in die ewige Suche nach dem perfekten Schuh.

Dennoch kommt offensichtlich so ziemlich keine von ihnen auf die Idee, einfach mal zum Schuster zu gehen und sich ihren Traumschuh schlicht maßanfertigen zu lassen.

Zudem gibt es unter den klassischen Schuhmachern auch nur ganz, ganz wenige Frauen. Wenn Frauen in dieses Gewerbe der Lederverarbeitung gehen, machen sie praktisch immer Schmuck, Taschen oder Accessoires. Schuhe so gut wie nie.

Nachdem ich meiner guten Freundin Julia vor kurzem diese Beobachtung schilderte, zuckte sie nur mit den Schultern. Sie fände das logisch. Sie würde sich selbst auch auf gar keinen Fall als Kundin für Maßschuhe haben wollen. Denn, so erklärte sie mir, Frauen hätten zwar eine ganz genaue, exakte Vorstellung von ihrem Traumschuh. Könnten diese aber auf keinen Fall beschreiben, zeichnen oder auch nur skizzieren.

Das stelle ich mir kompliziert vor. Die Frauen haben also eine gewaltige, machtvolle, tief innewohnende Sehnsucht.

Was genau diese Sehnsucht allerdings ist, wird vor ihnen geheim gehalten. Trotzdem sind sie dazu verdammt, nach der Erfüllung, also dem Traumschuh zu suchen. Wahrlich kein weiches Brot.

Immer wieder gäbe es Momente der Hoffnung, meinte Julia weiter, aber dann zeige sich doch stets, dass auch die nächste Schuhhoffnung wieder an verschiedenen Stellen drückt. Letztlich sei dies vergleichbar mit der Suche nach Männern. Wo man auch immer wieder hofft, etwas Passendes gefunden zu haben, aber die richtig schlimmen Stellen, wo es drückt, erst merke, wenn man mal eine längere Strecke mit ihnen gelaufen ist. Im übertragenem Sinne.

Manche suchen daher ein Leben lang. Andere hoffen, dass der Mann sich durch längeres Tragen irgendwie einläuft. Und wieder andere suchen sich einfach letzten Endes jemanden, wo sie an den Stellen, wo es besonders schlimm drückt, bereits eine gewisse Hornhaut entwickelt haben.

Aber die Sehnsucht bleibe. Immer, quasi unstillbar. In der Schuhpsychologie spricht man daher vom sogenannten Aschenputtelsyndrom. Der ewigen Suche nach dem Prinzen, der auch noch den richtigen Schuh für einen habe. Einen solchen Prinzen gibt es aber natürlich nur im Märchen. Diese traurige Wahrheit zu realisieren sei für Frauen die schwierigste emotionale Prüfung zwischen Pubertät und Wechseljahren.

Julia ist daher ohnehin der Meinung, es gäbe eigentlich nur zwei Sorten Frauen auf dieser Welt. Die mit dem richtigen Schuh und die mit dem richtigen Mann. Beides geht nicht. Maximal gäbe es Graubereiche. Oder auch Verhandlungsmasse zwischen Schuh und Mann.

Im Weiteren bedeutet dies aber laut Julia auch: Eine Frau, die die Hoffnung, einen besseren Schuh zu finden, irgendwann aus welchen Gründen auch immer aufgibt, wird sich dann als Trost oder als Übersprungshandlung zumindest einen besseren Mann suchen.

Mit anderen Worten, in dem Moment, wo eine Frau in völlig normalen Tempo, ohne gewichtigen Grund an mehreren Schuhgeschäften interesse- und achtlos vorbeiläuft, ja nicht einmal in die Schaufenster schaut, da wird es definitiv Herbst in der Beziehung. Da ist höchste Vorsicht geboten!

Deshalb, so beschloss Julia mit charmantem Lächeln ihre Ausführungen, ist der Schuhkauf bei Frauen auch immer so etwas wie ein Treuebekenntnis, eine Art Liebeserklärung an den Mann.

Ich weiß nicht, wie vielen Männern Julia diese ihre Schuhlogik schon erklärt hat. In jedem Falle hat sie wirklich sehr viele, sehr schöne Schuhe.

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