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Urlaub mit … Haus

Die Freunde haben ein Ferienhaus gemietet. An der Ostsee. Ein großes Ferienhaus. Und jetzt müssen wir mit ihnen da Urlaub machen. «Weil es sich sonst ja nicht lohnt.»

Das war die offizielle Begründung. Also mit diesen Worten wurden wir gefragt, ob wir nicht mit in dem Haus Ferien machen wollen. «Weil es sich sonst ja nicht lohnt.»

Alleine kriegen sie das Haus nicht genügend bewohnt. Wenn zu wenig Leute darin wohnen, fühlt sich das Haus unterfordert.

Das sollte man nicht zulassen. Das ist wie mit Kindern in der Schule. Die darf man auch auf keinen Fall unterfordern. Sonst fangen die an, sich zu langweilen, werden unaufmerksam, machen Quatsch, sind abgelenkt, kriegen irgendwann überhaupt gar nichts mehr mit, werden dann immer schlechter in der Schule, bis sie völlig den Anschluss verlieren, keinen Abschluss hinkriegen, auf die schiefe Bahn geraten und dann beispielsweise mit Drogen handeln.

So, und damit dieses Ferienhaus an der Ostsee eben nicht irgendwann anfängt, mit Drogen zu handeln, müssen wir da jetzt also mit in den Urlaub. Damit sich das auch lohnt. Das Haus auffüllen.

Wie bei Einkäufen, wo man dann auch noch das eine oder andere dazunimmt, damit der Weg sich gelohnt hat. Also man ist los, weil man Milch und vielleicht noch Klopapier brauchte, aber am Ende nimmt man dann auch noch irgendwelchen Quatsch dazu, damit sich der Weg gelohnt hat. Ich habe mehrere Sorten Beuteltee zu Hause, die ich nur besitze, weil sich der Weg ja sonst nicht gelohnt hätte.

Es gibt riesige, weltweit agierende Unternehmen, deren Geschäftsmodell komplett auf den «Weil sich ja sonst der Weg nicht gelohnt hätte»-Käufen basiert.

IKEA zum Beispiel. Da wurden schon ganz seriöse Untersuchungen angestellt, die belegen, dass die «Weil man jetzt grad mal da ist, nehmen wir das doch schnell mal mit»-Käufe bei IKEA rund siebzig Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Das ist deren Trick.

Ich kenne ein Paar, das bei denen ein Schlafsofa kaufen wollte, kein schönes gefunden hat und stattdessen mit sonstigen Einrichtungsgegenständen und Wohnacccessoires im Wert von ca. 1,75 Schlafsofas nach Hause gekommen ist. Ein halbes Jahr später haben sie dann doch ein Schlafsofa bei IKEA gekauft, weil das (wörtliches Zitat!) einfach am besten zu der restlichen Einrichtung ihrer Wohnung passt.

Wobei es sich ja auch für den Kaufgegenstand wahrscheinlich gar nicht so toll anfühlt, nur gekauft worden zu sein, weil sich sonst der Weg nicht gelohnt hätte. Also ich vermeide schon seit längerem den Blickkontakt mit meinen vielen Teebeutelpackungen. Ich spüre auch so, wie sie mich enttäuscht und vorwurfsvoll anstarren:

«Warum? Warum sind wir hier? Seit Jahren. Warum hast du uns gekauft? Hat dies alles irgendeinen Sinn? Komm, brüh uns auf! Übergieß uns mit heißem Wasser. Damit das Elend hier endlich ein Ende hat. Verbrüh uns! Oh ja, verbrüh uns!»

Eine ehemalige Freundin hat sich von mir mal mit den Worten getrennt, ich hätte sowieso nur auf dem Weg gelegen, also quasi, eigentlich hätte sie ohnehin einen meiner Freunde gewollt. Da der aber noch besetzt war, habe sie die Zwischenzeit eben erst mal mit mir überbrückt. Ich sei quasi so was wie ein Wartesemester gewesen.

Na ja, da ich seinerzeit in Beziehungsfragen aber ohnehin eher die Haltung «Erst mal nehmen, was man kriegen kann!» hatte, fand ich das gar nicht so schlimm. Ich würd’s genau so wieder machen.

Und deshalb habe ich auch keine Probleme, dieses Ferienhaus vollzumachen. So weiß ich doch wenigstens, dass die Ferien einen echten tieferen Sinn haben.

Natürlich ist so ein Mehrgenerationen-Urlaub nicht immer einfach. Zwar sind es in unserem Falle nur zwei Generationen, also Eltern und Kinder, aber schon das kann manchmal zu unüberbrückbaren Interessenkonflikten führen. So wie am Morgen des dritten Urlaubstages. Alle Eltern sind müde, wollen im Haus bleiben, lesen und dösen und vielleicht sogar noch mal hier und da versehentlich ein bisschen wegschlafen. Alle Kinder wollen an den Strand. Streit liegt in der Luft.

Ich sage, es reiche doch, wenn ein Erwachsener mit den Kindern an den Strand gehe. Alle sind begeistert und jubeln. Die anderen Eltern bedanken sich, dass ich mich bereit erklärt habe, mit den Kindern an den Strand zu gehen.

Fühle mich missverstanden. Nein, nein, versuche ich zu erklären, welcher der vier Erwachsenen an den Strand gehe, müsse noch entschieden werden, man könne ja losen.

Julia guckt genervt. Sie macht vier Zettel, schreibt auf jeden der vier Zettel einen Namen, faltet sie, legt sie in eine leere Schale, hält mir diese dann hin und sagt:

«Gott, ich weiß zwar nicht, welchen Sinn dieses Losen haben soll, aber wenn du dich dann besser fühlst …»

Ziehe ein Los. Mist, mein Name. Beklage mein Pech. Na ja, meint Julia, das sei schon Pech, zum Teil liege es aber sicher auch daran, dass sie auf alle vier Zettel meinen Namen geschrieben habe.

Rund anderthalb Stunden später sitze ich mit den vier Kindern am Strand. Das heißt, ich sitze; die Kinder sind sofort ins Wasser gestürmt. Es ist sehr heiß. Ich würde auch gern ins Wasser, aber einer muss ja auf die Wertsachen aufpassen. Alle lachen, planschen und haben Spaß. Nur ich sitze wieder da, muss auf die Wertsachen aufpassen und schwitze. Tolle Wurst.

Es dauert eine Weile, dann habe ich endlich eine Art Idee und setze sie auch direkt in die Tat um. Packe mein Portemonnaie, das Handy und die restlichen Wertsachen in eine Plastiktüte und verschließe sie ganz, ganz fest, quasi luftdicht. Grabe dann mit der Strandplastikschaufel ein etwa fünfzig Zentimeter tiefes Loch, lege den Beutel dahinein, schütte alles wieder zu und breite das große Handtuch drüber. So, das sollte als Tresor eigentlich reichen. Jetzt kann ich endlich auch ins Wasser. Bin stolz auf meinen Einfall. Wieder mal ein schönes Beispiel für Lebensqualität durch Intelligenz.

Das Wasser ist viel zu kalt. Stelle fest, das Konzept Ostsee hat durchaus auch Schwächen. Am Strand zu heiß, im Wasser zu kalt. Im Restaurant würde man sich beschweren. Und versalzen ist sie auch, aber hallo! Wer immer die Ostsee zubereitet hat, muss total verliebt gewesen sein. Hätte jetzt gerne ein Eis, um mich von innen an die Wassertemperatur anzunähern, aber das Geld ist ja vergraben. Die Kinder müssen auf Toilette, das kostet fünfzig Cent. Verdammt. Erlaube ihnen, unauffällig in die Ostsee zu pinkeln, dann wird die vielleicht auch ein bisschen wärmer.

Beiße dann die Zähne zusammen und gehe endlich richtig weit raus ins Wasser. Stürze, falle hin, schüttele mich und muss dann zugeben, es ist großartig. Einfach ganz, ganz großartig. Was immer man dafür tun musste. Für diesen Moment, für das in das Meer Springen hat sich immer alles gelohnt. Es gibt kaum ein größeres und verlässlicheres Glücksgefühl. Vergesse alles um mich herum.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als ich endlich wieder zurück an den Strand kehre. Viel Zeit wahrscheinlich, und vermutlich bin ich auch ziemlich weit nach links abgedriftet, also zumindest, wenn man sich an unserem Lagerplatz mit den Handtüchern orientiert.

Die Kinder liegen da und spielen «Ich sehe was, was du nicht siehst». Sie teilen mir mit, dass sie mit den Handtüchern und allem gute fünfzig Meter nach rechts gezogen sind, weil es hier mehr farbige Sachen zum Sehen und Spielen gibt. Ich starre sie an.

Wo denn das Problem sei, fragen sie, der Strand sei doch überall praktisch vollkommen gleich. Sage, genau das ist das Problem.

Gehe den Strand runter und suche nach der Stelle, wo ich die Wertsachen vergraben habe. Es ist aussichtslos. Aber dann sehe ich eine junge Frau, die sich auf ihrem Handtuch bräunt, und ich bin mir mit einem Mal ziemlich sicher. Ich fürchte sie liegt genau auf unseren Wertsachen.

Na ja, hilft ja nichts. Gehe zu ihr und frage:

«Entschuldigung, aber dürfte ich einmal kurz unter Ihnen graben?»

Sie schaut mich an, als hätte ich gefragt, ob ich mir mit ihren Nagellack die Glatze streichen dürfe. Aber nein, das stimmt so nicht, sie schaut noch viel, viel irritierter, also eigentlich schaut sie genau so, als hätte ich gefragt, ob ich unter ihr graben darf.

Erkläre ihr alles. Sie lacht, richtig herzlich mir zugewandt lacht sie. Dann graben wir zusammen und haben dabei gehörigen Spaß. Wäre ich noch auf dem Markt, denke ich, dann wäre genau das die Methode, jemanden kennenzulernen.

Die Kinder haben mittlerweile auch alle anderen Kinder am Strand informiert und dazu gebracht, nach meinem Tresor zu suchen. Der ganze Strand besteht aus Löcher grabenden Kindern, sogar die Eltern machen teilweise mit. Die Strandaufsicht kommt, fragt, was los ist. Nachdem ich alles erklärt habe, machen sie eine Durchsage. Jetzt kommen auch von der Promenade und anderswoher unzählige Menschen, die mal den Idioten sehen wollen, der sein Wertsachenloch nicht wiederfindet. Alle graben, aber es ist sinnlos, wir finden den Tresor einfach nicht.

Julian, der elfjährige Sohn unserer Freunde, nimmt mich zur Seite, weil er mir etwas Dringendes sagen will. Er druckst herum. Na ja, eigentlich sei ihnen schon beim Umziehen der Strandsachen das frisch gegrabene Loch aufgefallen, da hätten sie die Wertsachen gleich ausgegraben und mitgenommen. Und als ich dann so erschrocken war, hätten sie sich total gefreut, dass ihr Scherz so gut funktioniert, weshalb sie erst mal nichts gesagt hätten. Und dann ging das Graben los, und das sei ja auch erst mal sehr schön gewesen, sodass sie die gute Stimmung auch nicht hätten kaputt machen wollen. Aber jetzt sei die Sache doch vielleicht ein wenig aus dem Ruder gelaufen.

Denke, das trifft sich sehr gut, dass wir nun alle gute Gründe haben, erst mal niemandem von dieser Geschichte zu erzählen.

Wir beschließen, unauffällig unseren Kram zusammenzusuchen und die nächsten Tage vielleicht lieber an den etwas abgelegenen Weststrand zu gehen.

Als wir heimkommen, sind die anderen schon im Aufbruch: Am Strand solle richtig was los sein, rufen sie. Irgendeine Goldgräberaktion oder so was, vielleicht finden sie ja den Schatz. Wünsche ihnen viel Glück und bin alles in allem doch sehr zufrieden mit unserem Tag am Meer. Eigentlich ist ja doch alles gut gegangen, nur die Tüte war wohl doch nicht ganz so luftdicht oder vielmehr sanddicht wie erwartet, aber wie man ein Handy entsandet, wäscht, trocknet, es dann wieder absolut fachmännisch zusammenbaut und wie man später dem Handyhersteller zu erklären versucht, das Handy sei absolut von alleine kaputtgegangen, das ist noch mal eine ganz andere Geschichte.

Das Haus hat jedenfalls während des Urlaubs einen sehr zufriedenen und extrem bewohnten Eindruck gemacht. Insofern hat es sich schon wirklich gelohnt.

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